„Die Haut hart und weich wie Wachs nimmt diesen Druck auf, der mit der Kraft der Dinge und der Zartheit der Regionen variiert; daher diese Spuren und Marken, unser Gedächtnis und unsere Geschichte, das Pergament unserer Erfahrungen. Unser Hautkleid trägt und zeigt unsere Erinnerungen (…) die des Einzelnen: jedem die eigene Maske, das eigene nach außen gewendete Gedächtnis.“
(Michelle Serres „Die fünf Sinne“ S.41)
Die Haut konserviert partiell Erlebnisse und Erfahrungen, erzählt unsere Geschichte. Der nudefarbene Nylonstrumpf fungiert hier nicht nur als metaphorisches Gleichnis, sondern übernimmt die Rolle der„zweiten Haut“ auch tatsächlich. Laufmaschen, Flecken und Löcher sind Spuren des Erlebten, der Nylonstrumpf erzählt eine fragmentiert archivierte Episode aus einem Menschenleben.
Die Funktionsweise des „Betrachters“ (Gerätschaft) fügt sich kohärent zur Situation einer intimen Erzählung. Die Konstruktion des „Betrachters“ lässt nur einer Person die Möglichkeit der Erzählung zu folgen. Dabei wird das gesamte Umfeld optisch abgeschottet. Das Erzählte wird demnach an eine Person, den Betrachtenden adressiert und erhält dadurch einen intimen und persönlichen Charakter. Die in die „Haut eingebrannten Erlebnisse“ sind durch die Materialbeschaffenheit und „Makel“ sichtbar und stellen sich auf rein abstrakter Ebene dar. Jede Betrachtung unterliegt der Interpretation des Betrachtenden, bei jeder erneuten Betrachtung variiert die „Auslegung“ durch das unbestimmbare Verhalten des Materials beim Einzug in den „Betrachter“. Dies ist komplementär zu grundlegenen Charakteristika einer personengerichteteten, intimen Erzählung. Um eine Erzählung zu initiieren und voranzutreiben bedarf es der aktiven Bereitschaft des Zuhörers, dies geschieht im „Betrachter“ durch die aktive Betätigung, das Drehen der Spulen. Erst durch die Konzentration, die Initiative und die aktive Beteiligung, das Vorantreiben der betrachtenden Person, des Zuhörers kommt eine initime Erzählung zustande.
Nina McNab